Handschreiben im Kontext der Digitalisierung
Die Zukunft ist digital. Sie braucht ein Bildungsmodell, bei dem das Handschreiben in einem sinnvollen digitalen Kontext steht.
Die zunehmende Digitalisierung lässt sich nicht mehr aufhalten. Und sie hat viele Vorteile: Die Medien entwickeln sich immer weiter, sie erleichtern unseren Alltag, vieles funktioniert einfacher und schneller. Die Digitalisierung bringt aber auch Nachteile mit sich: Die direkte persönliche Kommunikation zwischen den Menschen wird zunehmend weniger, der Medienkonsum steigt, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.
Enorme tägliche Mediennutzung durch Kinder
Die KIM-Studie (Kindheit, Internet, Medien) zur Mediennutzung 2016 ergab, dass die Sechs- bis Dreizehnjährigen in Deutschland fast vier Stunden pro Tag Medien nutzen. Dazu gehören Fernsehen, Internet, PC/Konsole/Online spielen, Handy/Smartphone, Tablet, Radio und Bücher.
Mehr als drei Stunden davon verbringen die Kinder mit digitalen Medien. Der Medienkonsum beginnt mittlerweile schon sehr früh. Laut der BLIKK Medienstudie 2017 nutzen 70 Prozent der Kinder im Kita-Alter das Smartphone der Eltern mehr als eine halbe Stunde täglich.
Negative Effekte übermÄßigen Medienkonsums bei Kindern
Laut der BLIKK Medienstudie 2017 besteht ein Zusammenhang zwischen erhöhter Mediennutzung und Entwicklungsstörungen bei Kindern. Die intensive Nutzung von Medien führt vermehrt zu Sprachentwicklungsstörungen sowie motorischer Hyperaktivität bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr.
Der Einfluss von Computer, Smartphone, Internet, etc. auf das Gehirn ist aus neurowissenschaftlicher Sicht noch unklar und wahrscheinlich abhängig von Art, Menge, Dauer und Alter (Reinberger, 2016).
Handschreiben lässt sich in künftige digitale Medien integrieren
Die Herausforderung besteht darin, zu überlegen, wie wir die Medien bestmöglich nutzen können, ohne dass negative Effekte auftreten. Das Handschreiben ist und bleibt eine der nutzerfreundlichsten Formen der Mensch-Maschine-Interaktion. Es ist direkt, intuitiv, flexibel und kreativ und bietet damit Vorteile gegenüber dem Tippen auf einer Tastatur, dem Wischen auf einem Tablet bzw. Smartphone oder der Steuerung über die Sprache.
Handschreiben und digitale Technik sind keineswegs ein Widerspruch. Die Integration des Handschreibens in digitale Medien zeigt sich bereits in aktuellen technologischen Entwicklungen, die Handschrift als Eingabemedium nutzen: z.B. interaktives Whiteboard, Augmented Paper, Tablet & Stylus Pen, i Drive System, etc.
Beim Handschreiben sind 12 Hirnareale aktiv (Planton et al., 2013) und es arbeiten mehr als 30 Muskeln und 17 Gelenke zusammen (Schünke et al., 2005). Zudem wird bei der Verarbeitung von Text in Form von Handschreiben eine motorische Gedächtnisspur im Gehirn angelegt (Longcamp et al., 2011). Das Schreiben per Hand unterstützt somit nachhaltig das Lesen- und Schreibenlernen. Dagegen beschreibt Prof. Dr. Kiefer das Tippen am Computer als eine „sinnentleerte Bewegung“, da es keine Verknüpfung zwischen der Buchstabenform und der entsprechenden Bewegungsausführung gibt. Es macht im Gehirn keinen Unterschied, ob ich A, E oder X tippe (Reinberger, 2016).
Das Schreiben mit der Hand bleibt
Im Gegensatz zum Tippen fördert das Handschreiben die kognitive Entwicklung. Das Schreiben mit der Hand ist also absolut zukunftsfähig, auch wenn sich das Schreibmedium mit zunehmender Digitalisierung möglicherweise ändert. Im Lauf der Geschichte hat sich das bevorzugte Schreibgerät des Menschen immer wieder geändert: von den Höhlenmalereien der Steinzeit über das Schreiben mit Griffeln und Schreibrohren auf Wachstafeln/Papyrus im alten Rom und Ägypten, dem Schreiben mit Federkiel auf Pergament im Mittelalter, über die zahlreichen Schreibgeräte der Gegenwart hin zu einer potentiellen Zukunft mit digitalen Stiften.
Zum Weiterlesen
DIAZ MEYER M.; BRUDER R.: Handwriting in the context of digitalisation: Impulses and insides from latest researches and up-to-date education and learning. Conference transcript of the “2nd International Symposium on Handwriting Skills 2017” (Darmstadt, November 10, 2017). Heroldsberg: Schreibmotorik Institut e. V., 2017 http://www.schreibmotorik-institut.com/images/symposium/Symposium_Handwriting_2017.pdf
FEIERABEND, S.; PLANKENHORN, T.; RATHGEB, T.: KIM-Studie 2016. Kindheit, Internet, Medien. Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2016.
RIEDEL, R.; BÜSCHING, U.: BLIKK-Medienstudie 2017. Berlin: Bundesministerium für Gesundheit, 2017.
REINBERGER, S.: G_AP Gehirn-Anwendung-Praxis. Fokus Schule. Frankfurt am Main: Hertie-Stiftung, 2016.
PLANTON, S ; JUCLA, M. ; ROUX, F-E.; DÉMONET, J-F.: The “handwriting brain”: a meta-analysis of neuroimaging studies of motor versus orthographic processes. Cortex. 49(10): 2772-2787, 2013.
SCHÜNKE, M.; SCHULTE, E.; SCHUMACHER, U.; VOLL, M.; WESKER, K.: Prometheus–Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Stuttgart New York: Thieme, 2005.
LONGCAMP, M.; HLUSHCHUK, Y.; HARI, R.: What differs in visual recognition of handwritten vs. printed letters? An fMRI study. Human brain mapping. 32(8), 1250-1259, 2011.
Sämtliche Publikationen des Schreibmotorik Instituts
Sollten Sie Informationen aus dem vorliegenden Beitrag entnehmen, bitten wir Sie, diesen wie folgt zu zitieren:
Schreibmotorik Institut e.V. (2018). Handschreiben im Kontext der Digitalisierung. Zugriff am [dd.mm.jjjj] unter http://www.schreibmotorik-institut.com/index.php/de/fakten-und-tipps/fachwissen/665-handschreiben-im-kontext-der-digitalisierung