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trainer schweitzer teaserHenk Schweitzer im Gespräch mit dem Schreibmotorik Institut Februar 2017

Schreibunterricht: Handschreiben und digitale Welt – auf die richtige Mischung kommt es an

 In den Niederlanden ist die Digitalisierung in den Schulen relativ weit fortgeschritten. Die meisten Schulen haben Tablets als Ergänzung zum bislang üblichen Schreibunterricht eingeführt. Der zunehmende Einsatz von Computern für das Lesen und Schreiben im Alltag, sogar bei Kindern, lässt sicherlich Zweifel an der Bedeutung des Handschreibens aufkommen. In einer Reihe von Untersuchungen hat sich jedoch gezeigt, welche Vorteile das Handschreiben gegenüber dem Tippen besitzt, wenn es um den Erwerb der Lesefähigkeit geht. Henk Schweitzer, Leiter einer Schule mit 200 Schülern in den Niederlanden, verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Entwicklung von Motorik und Schreibkompetenz bei Kindern und berichtet von seinen Erfahrungen mit Tablets im Klassenzimmer.

Könnten Sie uns die Situation an Ihrer Schule beschreiben?

In den letzten fünf Jahren wurde in niederländischen Schulen wirklich alles digitalisiert. Kreidetafeln gibt es nicht mehr. Die Lehrer verwenden stattdessen ein Digitalboard mit digitalen Stiften. Alle pädagogischen Materialien wurden für Tablets angepasst. Im Alter von sieben Jahren erledigen die Schüler praktisch alle Übungen mit Tablets, die auch mit einer Tastatur ausgestattet sind. Zum Lesen verwenden wir aber immer noch Bücher.

Worin liegen die Vorteile dieser Lehrmethode?

Ganz allgemein lernt man mit Tablet schneller als ohne. Wenn die Schüler Fragen beantworten, erhalten sie über das Tablet direktes Feedback. Außerdem lässt es sich an das individuelle Leistungsniveau anpassen. Die Kinder finden das sehr spannend und haben Spaß dabei. Da sie stärker motiviert sind, machen sie auch mehr Übungen. Und wer mehr übt, macht schneller Fortschritte. Das Digitalboard des Lehrers ist mit den Tablets verbunden, d.h. er oder sie behält den Überblick über die Arbeit der Kinder. Man kann leicht erkennen, wo im Programm die Kinder sich gerade befinden und welche spezifischen Lernziele sie verfolgen. Zweimal pro Jahr werden wir von der Regierung geprüft und müssen alle Zahlen vergleichen. Dabei zeigt sich, dass mit Tablets bessere Ergebnisse erzielt werden. Wir profitieren von den Vorteilen der Tablet-Nutzung und legen den Schwerpunkt gleichzeitig auf das Handschreiben.

Wie wirkt sich das auf den Schreibunterricht aus?

In den Niederlanden werden die Kinder in der Regel im Alter von vier Jahren eingeschult. Bis sie sechs sind, arbeiten sie mit Papier und Stift, um das Lesen und Schreiben zu erlernen. Danach erst nutzen sie auch Tablets. Es ist wichtig, die richtige Mischung von Tablet-Nutzung und Handschreiben zu finden. Da wir heute weniger schreiben, leidet die Leserlichkeit, und das ist problematisch. In unserer Schule haben die Schüler aller Klassen nach wie vor Schreibunterricht und schreiben dabei in Übungshefte. Den einzelnen Schulen ist es freigestellt, ob sie mit Druck- oder Schreibschrift arbeiten. An unserer Schule haben wir uns für Druckschrift entschieden, weil sie leserlicher ist. Und wie eine Untersuchung gezeigt hat, kann man damit in jungen Jahren auch schneller als mit Schreibschrift schreiben. Im Rechtschreibunterricht habe ich festgestellt, dass die Kinder sich sicherer fühlen, wenn sie ein schwieriges Wort aufschreiben anstatt es auf einer Tastatur zu tippen. Beim Tippen konzentrieren sie sich nämlich mehr auf die Schnelligkeit und machen deshalb auch mehr Fehler. Meinen Schülern steht zusätzlich ein kleines Whiteboard zur Verfügung, über das sie schnell Fragen beantworten können. Das funktioniert mit Stift und Radierer. Wenn sie sich nicht sicher sind, wie man ein Wort schreibt, schlage ich ihnen vor, mögliche Optionen aufzuschreiben. Dann wissen sie augenblicklich die richtige Antwort – es funktioniert also.

Glauben Sie, dass sich hier eine Lösung ergibt, wenn man mit digitalen Stiften Schreibbewegungen auch auf einem Tablet ausführen kann?

In ein paar Jahren wird es möglich sein, mit einem Stift auf einem Tablet genauso wie auf Papier zu schreiben. Mit dem richtigen Stift und einem guten Programm gibt es dann keine Unterschiede mehr.

Welche Vorschläge haben Sie für andere Schulen und Bildungseinrichtungen?

Die Digitalisierung schreitet schnell voran. Man muss einfach dranbleiben. Man muss die Entwicklung beobachten und die jeweils richtige Methode für die eigene Schule finden. Zögern sollte man aber nicht. Schließlich wachsen die Kinder in einem familiären Umfeld auf, in dem die ganzen digitalen Entwicklungen ebenfalls vorhanden sind. Das System sollte also neue Ideen schneller aufnehmen. Es ist aber wie gesagt wichtig, die richtige Mischung zu finden und immer noch den Schwerpunkt auf das Handschreiben zu legen.

 

Kurzvita:

Henk Schweitzer ist Leiter einer integrativen Schule und ehemaliger Pädagogikdozent mit über 30 Jahren Erfahrung in den Bereichen Grundschule und Sonderpädagogik. Pädagogik ist für ihn immer noch ein faszinierendes Thema und so dreht sich in seiner beruflichen Laufbahn alles um Kinder, die besonderer Zuwendung und Aufmerksamkeit bedürfen. Auf Grundlage dieser Erfahrung entwickelt er pädagogische Produkte und Methoden, die auch aktuell angewendet werden. Die Art und Weise, wie er innovative Ideen formuliert und in Praxismaterialien umsetzt, erfährt hohe Wertschätzung. In vielen Fällen gelang es ihm, eingetretene Pfade zu verlassen und innovative pädagogische Ansätze zu entwickeln.

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