10 Tipps fürs Schreibenlernen mit digitalen Tools – wie Eltern und Lehrkräfte Kinder gezielt unterstützen können
Schreibenlernen ist weit mehr als nur Buchstaben zu üben: Es geht um feinmotorische Präzision, kognitive Verknüpfungen und um Motivation. Digitale und hybride Lernmittel können dabei eine wertvolle Unterstützung sein – vorausgesetzt, sie werden richtig eingesetzt. Im Rahmen unseres Forschungsprojektes haben Eltern und Lehrkräften analoge, digitale und hybride Tools getestet, die das Schreibenlernen bei Kindern fördern sollen. Aus den Ergebnissen haben wir zehn praxisnahe Tipps entwickelt, die bei der Wahl geeigneter Lernmittel weiterhelfen.
Der Schulstart steht vor der Tür – für viele Kinder bedeuten die kommenden Monate die ersten Schritte in Richtung Schreibenlernen. Doch wie gelingt dieser wichtige Lernprozess am besten? Und welche Unterstützung können digitale Tools dabei anbieten?
Studien aus den USA belegen, dass spielerische Übungen auf Tablets – vor allem mit integrierten Belohnungssystemen – die Motivation der Kinder steigern können (Martens et al., 2018). Gleichzeitig erlauben Schreibübungen mit digitalen Stiften Bewegungen, die denen des analogen Schreibens ähneln. Allerdings deuten weitere Forschungen darauf hin, dass Kinder auf der glatten Oberfläche von Tablets häufig größere Schwierigkeiten haben als beim Schreiben auf Papier (Gerth et al., 2016; Asselborn, 2020). Der Hauptgrund dafür ist der fehlende Widerstand des Schreibmediums.
Eltern und Lehrkräfte testeten für unser Forschungsprojekt drei verschiedene Ansätze zum Schreibenlernen – einen analogen (klassisches Schreiblernheft), einen digitalen (App plus Digitalstift) und einen hybriden (Kombination aus App, Digitalstift mit analoger Schreibfunktion und Heft) – und zogen Bilanz: Alle Methoden haben ihre Stärken, aber auch Schwächen. Aus den Ergebnissen aus der Befragung und den Interviews mit den Teilnehmenden konnten wir zehn Tipps ableiten, die Eltern und Pädagog:innen helfen können, das passende Tool für ihre Kinder oder Schüler:innen zu finden.
Vorab: Ziele klar definieren
Bevor ein Lernmittel gewählt wird, sollte klar sein: Was genau soll gefördert werden? Feinmotorik? Motivation? Schreibdruck? Unterschiedliche Tools eignen sich für unterschiedliche Schwerpunkte – eine bewusste Entscheidung ist der erste Schritt zum Lernerfolg.
1. Motorische Förderung durch Haptik
- Schreiben mit Stift und Papier ist wertvoll, um die Feinmotorik und die natürliche Stifthaltung sowie Schreibewegungen zu fördern. Achten Sie bei der Auswahl eines Lernmittels (insbesondere bei digitalen oder hybriden Tools) darauf, dass es die natürliche Schreibewegungen unterstützt.
2. Motivation und Lernspaß
- Integrieren Sie digitale/hybride Elemente sinnvoll in die analoge Lernumgebung des Kindes - Digitale Elemente oder spielerische Ansätze können die Motivation der Kinder steigern und das Üben attraktiver machen.
3. Direktes und differenziertes Feedback
- Besonders wertvoll sind digitale und hybride Tools, die unmittelbares, kindgerechtes Feedback geben. Die Kinder erkennen auf diese Weise ihre Fortschritte und können gezielt an Schwächen arbeiten.
4. Individuelle Anpassbarkeit
- Achten Sie bei der Wahl eines Lernmittels darauf, dass es möglichst auf das individuelle Kompetenzniveau und den Bedürfnissen des Kindes angepasst ist.
5. Sinnvolle Kombination, wo möglich
- Integrieren Sie digitale/hybride Tools mit analogen sinnvoll, je nach Mehrwert und Ziel. Eine Mischung aus analogen (z. B. klassische Hefte) und digitalen/hybriden Methoden bietet gute Lernchancen und eignet sich zur Vorbereitung auf das digitale Leben. Gleichzeitig deckt es verschiedene Lernbedürfnisse ab.
6. Übersicht und Fortschrittskontrolle
- Lernmittel sollten Eltern und Lehrkräften eine einfache Übersicht über Lernfortschritte und Übungserfolge bieten.
7. Ergonomische Stiftform und Handhabung
- Achten Sie auf eine kindgerechte, ergonomische Stiftform, die sowohl Rechts- als auch Linkshändern eine natürliche und gesunde Stifthaltung ermöglicht.
- Vermeiden Sie digitale Tools, bei denen die Hand nicht problemlos auf die Schreibunterlage gelegt werden kann, um eine natürliche Haltung zu fördern.
8. Geringe Ablenkung durch digitale Elemente
- Bei digitalen und hybriden Tools sollten Sie darauf achten, dass spielerische Inhalte nicht zur Ablenkung werden und der Fokus auf dem Schreiben bleibt.
9. Einsatzkontext bedenken (Schule, Zuhause, Therapie)
- Achten Sie darauf, das Lernmittel auch an die jeweiligen Rahmenbedingungen anzupassen – etwa ob es in der Schule, zu Hause oder in der Nachmittagsbetreuung eingesetzt wird und ob jemand das Kind dabei begleiten und anleiten kann. Zu Hause zum Beispiel, wo die Infrastruktur und die Voraussetzungen besser sind, können digitale und hybride Tools oft besser eingesetzt werden als in der Schule.
10. Pädagogische Qualität
- Lassen Sie sich nicht von Marken leiten: Entscheidend ist, ob das Lernmittel pädagogisch sinnvoll, zielgerichtet und kindgerecht gestaltet ist.
„Am Ende zählt, was wirklich beim Kind ankommt“
Schreibenlernen bleibt ein hochkomplexer Prozess, an dem der gesamte Körper sowie 12 Gehirnareale aktiv beteiligt sind. Studien belegen, dass das Schreiben mit der Hand die Entwicklung der Lesefähigkeit fördert und die Rechtschreibkompetenz verbessert. Zudem unterstützt es das Gedächtnis und erleichtert das Erlernen neuer Informationen. „Das Handschreiben ist somit auch im digitalen Zeitalter für die gesunde motorische und kognitive Entwicklung von Kleinkindern sowie für den schulischen Erfolg von großer Bedeutung“, betont Dr. Tal Hoffmann, Geschäftsführerin des Schreibmotorik Institut e.V. „Digitale und hybride Tools bieten allerdings heute neue Chancen, Kinder individuell zu fördern. Wer gezielt auswählt und den Einsatz gut begleitet, kann das Beste aus beiden Welten nutzen: digitale Motivation und analoge Motorikförderung.
Literatur
Asselborn, T (2020). Analysis and Remediation of Handwriting Difficulties. Dissertation. École Polytechnique Fédérale de Lausanne.
Martens, M., Rinnert, G. C., & Andersen, C. (2018). Child-centered design: Developing an inclusive letter writing app. Frontiers in Psychology, 9, Article 2277. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.02277