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PixabayBegriffsklärung: Schreibmotorik und Grafomotorik

Beide Begriffe beziehen sich auf die Prozesse, die benötigt werden, um grafische Zeichen mit der Hand auf Papier zu bringen. Aber was genau versteht man unter Schreibmotorik? Wie unterscheidet sie sich vom geläufigeren Begriff der Grafomotorik? 

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Bei der Grafomotorik werden die eher technischen motorischen Abläufe beschrieben, die notwendig sind, um zu schreiben, zu malen oder zu zeichnen (vgl. z. B. Loose et al. 1997), der Begriff wird aber auch auf die Umwelt-Interaktion des Schreibens ausgedehnt (vgl. z. B. Dehn 1994). Der systematische Unterschied zwischen dem Abmalen oder Zeichnen von Buchstaben und dem eigentlichen schnellen Schreiben wird aber in den verschiedenen Definitionen nicht betrachtet. Ebenso wenig werden die wesentlichen Aspekte bewegungsgünstigen Schreibens sowie die kritische Rolle der visuellen Kontrolle beim Schreiben (vgl. Quenzel 1994) erklärt.

Hier setzt der Begriff der Schreibmotorik an: der günstige Bewegungsablauf beim Schreiben steht im Vordergrund. Die Schreibmotorik beschreibt und erforscht, wie grafische Zeichen mit der Hand bewegungsgünstig geschrieben werden können und wie das Erlernen eines solchen ökonomischen Schreibens am besten gelingt (vgl. Diaz Meyer et al. 2017). Das Fernziel des Schreibunterrichts ist der Erwerb einer lesbaren, effizienten, flüssigen, ermüdungsarmen und individuellen Handschrift. Im Rahmen dessen spielen die Entwicklung eines gleichmäßigen Schreibrhythmus, einer hohen Schreibgeschwindigkeit und eines angemessenen niedrigen Schreibdrucks sowie der erforderliche Transfer auf das Schreiben von Buchstaben, Wörtern und ganzen Sätzen eine zentrale Rolle (vgl. ebd.).

Die schreibmotorische Forschung umfasst einen interdisziplinären Ansatz, welcher u. a. Erkenntnisse aus der Motorik, Hirnforschung, Neuropsychologie, Lernpsychologie, Pädagogik und Schreibergonomie vernetzt. Die Kriterien bewegungsgünstigen Schreibens, z. B. motorisch günstige Buchstabenanbindungen, effektives Stiftabsetzen beim Schreiben und Buchstabenvereinfachungen, leiten sich dabei aus der kinematischen Analyse routinierter, automatisierter Handschriften ab (vgl. ebd.). Routinierte Schreiber/innen zeichnen sich durch automatisierte Schreibbewegungen aus, d. h. sie können ihre gespeicherten motorischen Abläufe unbewusst abrufen und können sich damit vor allem auf den Inhalt des zu schreibenden Texts konzentrieren.

Die bewusste Bewegungskontrolle beim Schreiben, die typisch für Schreibanfänger/innen ist, spielt in diesem Zusammenhang eine kritische, sogar kontraproduktive Rolle (vgl. Quenzel/Mai 2000). So wird das unbewusste automatisierte Schreiben mit einer sehr hohen Geschwindigkeit durchgeführt, die für das Auge nicht mehr kontrollierbar ist. Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf ein Detail des Buchstabens reicht daher schon aus, die automatisierte Ausführung empfindlich zu stören (vgl. Marquardt et al. 1996, Quenzel 1994). 

            

Zum Weiterlesen

DIAZ MEYER, M.; SCHNEIDER, M.; MARQUARDT, M.; KNOPF, J.; LUPTOWICZ, C.: Schreibmotorische Förderung bei Erstklässlern: Ergebnisse einer Interventionsstudie. In: Didaktik Deutsch (2017) 43, S. 33-56.

LOOSE, A. C.; PIEKERT, N., DIENER, G.: Grahphomotorisches Arbeitsbuch für Eltern, ErzieherInnen, TherapeutIinnen, PädagogInnen. München: Pflaum, 1997.

MARQUARDT, C.; GENTZ, W.; MAI, N.: On the role of vision in skilled handwriting. In: Simner, ML, Leedham G,. Thomassen AJWM (Eds.) Handwriting and drawing research. Amsterdam: IOS Press, 1996.

QUENZEL, I.: Kinematische Analysen einfacher Schreibbewegungen bei Kindern und Erwachsenen. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Fachbereich Psychologie, Frankfurt a. M, 1994.

DEHN, M.: Schlüsselszenen zum Schrifterwerb. Weinheim, Basel: Beltz, 1994.

QUENZEL, I.; MAI, N.: Kinematische Analyse von Schreibbewegungen im Erstschreibunterricht. In: Unterrichtswissenschaft (2000) 28, Nr. 4, S. 290-303.

Sämtliche Publikationen des Schreibmotorik Instituts

   

   

Sollten Sie Informationen aus dem vorliegenden Beitrag entnehmen, bitten wir Sie, diesen wie folgt zu zitieren:

Schreibmotorik Institut e.V. (2017). Begriffsklärung: Schreibmotorik und Grafomotorik. Zugriff am [dd.mm.jjjj] unter http://www.schreibmotorik-institut.com/index.php/de/fakten-und-tipps/fachwissen/576-begriffsklaerung-schreibmotorik-und-grafomotorik

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